- Sozialversicherung: Einführung der Sozialgesetze in Deutschland
- Sozialversicherung: Einführung der Sozialgesetze in DeutschlandSeit der unerbittlichen Bekämpfung der Sozialdemokratie und ihrer Organisationen mit den Bestimmungen des Sozialistengesetzes vom Oktober 1878 plante Bismarck eine positive staatliche Sozialpolitik. Seine Absicht war es, mit konstruktiven staatlichen Maßnahmen die soziale Lage der Arbeiterschaft zu verbessern und sie damit nicht nur für den Staat zu gewinnen, sondern gleichzeitig auch ihre politische Organisation, die Sozialdemokratische Partei, zu schwächen.In einer kaiserlichen Botschaft wurde am 17. November 1881 im Reichstag ein sozialpolitisches Programm angekündigt. Vorgesehen waren eine Versorgung der Arbeiter für Unfall, Krankheit, Invalidität und Alter. Im Juni 1883 wurde als erstes Gesetz die Krankenversicherung der Arbeiter geregelt. Die Beiträge zur Krankenversicherung sollten je zur Hälfte von den Arbeitgebern und den Arbeitern gezahlt werden. Unter der Vielzahl bereits existierender Kranken-, Innungs- und Knappschaftskassen, die weiter bestanden, wurde die genossenschaftliche Organisation der Ortskrankenkassen die typische Arbeiter-krankenkasse. Die Leistungen bestanden in freier ärztlicher Behandlung und einem Krankengeld, das vom 3. Tage an bis zu höchstens 13 Wochen gezahlt wurde.Am 27. Juni 1884 folgte das Gesetz über die Unfallversicherung. Hier übernahm die Berufsgenossenschaft der Unternehmer die Zahlungen bei Unfall eines Arbeiters in voller Höhe - die Arbeiter brauchten keinen Anteil zu leisten - und zahlte bei tödlichem Unfall eine Hinterbliebenenrente. Die Unfallversicherung trat nach Ablauf der Krankenversicherung, also nach der 14. Woche, ein. Sie trug auch die Kosten eines Heilverfahrens sowie für die Dauer der gesamten Zeit der Erwerbslosigkeit 2/3 des letzten Arbeitsverdienstes. Abgeschlossen wurde das Gesetzeswerk am 22. Juni 1889 mit der Alters- und Invaliditätsversicherung. Sie sicherte jedem Arbeiter eine Altersrente nach dem 70. Lebensjahr zu sowie eine Invalidenrente bei Arbeitsunfähigkeit, für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte Beiträge abzuführen hatten. Hier wurde auch der Gedanke des Reichszuschusses aufgegriffen. Bismarck wollte ursprünglich, dass die Arbeiter keine eigenen Beiträge für die Versicherungen leisten mussten, da diese Beiträge das Einkommen schmälern und Unverständnis bei den Arbeitern hervorrufen mussten.Die Wirkung, die Bismarck sich mit dieser Gesetzgebung erhofft hatte, nämlich die Arbeiter für den Staat zu gewinnen und sie der Sozialdemokratie und ihren Organisationen zu entfremden, wurde jedoch nicht erreicht. Die Arbeiterschaft scharte sich vielmehr, zumal auch die Verfolgungen durch das bis 1890 immer wieder verlängerte Sozialistengesetz weiter anhielten, solidarisch um die Führer der Sozialdemokratischen Partei, die bei den Reichstagswahlen 1890 knapp 20 % der Stimmen erhielt. Von der sozialdemokratischen Führung wurden die Bismarck'schen Gesetze und die sich daraus ergebenden Leistungen für die einzelnen Arbeiter als völlig unzureichend kritisiert.
Universal-Lexikon. 2012.